Neulich fragte mich eine Kundin, ob sie die Texte für ihre neue Webseite gendergerecht schreiben muss.
Die gute Nachricht: Meine Kundin muss gar nichts! Und du auch nicht!
Das Thema Gendern wird aktuell kontrovers diskutiert und deshalb möchte ich in diesem Blogbeitrag ein paar Argumente für und gegen das Gendern geben.
Ich hoffe, das hilft dir dabei mitzudiskutieren und/oder eine Entscheidung für deinen persönlichen Schreibstil zu finden.
Argument 1: Gendern sieht blöd aus
Sternchen hier, Doppelpunkt da. Binnen-I und Schrägstriche: Es gibt viele Möglichkeiten, um in der geschriebenen Sprache alle Leser:innen mitzunehmen.
Am Beispielwort „Journalist“ siehst du derzeit angewandte Schreibweisen
- Journalist/-in
- JournalistIn
- Journalist_in
- Journalist*in
- Journalist!n
- Journalist:in
- Medienschaffende 😊
Das Gendersternchen ist momentan die beliebteste Lösung, wird allerdings vom trendigen Gender-Doppelpunkt gejagt.
Übrigens: Weil alle noch hin und her probieren, will der Rat für deutsche Rechtschreibung mit der offiziellen Anerkennung warten.
Und so ändert selbst der Duden – das amtliche Regelwerk der deutschen Sprache – in 2021 vorerst nur in seiner Online-Ausgabe ca. 12.000 Personenbeschreibungen. Der Genderstern muss draußen bleiben – noch.
Zudem ist das Dilemma um gendergerechte Sprache mit ein paar orthografischen Änderungen nicht gelöst. So weist der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband darauf hin, dass alle Genderzeichen Schwierigkeiten machen.
Argument 2: Vielfalt der Geschlechter – Sind nicht alle gemeint?
Das sprachliche Geschlecht hat nicht zwangsweise was mit dem natürlichen zu tun.
Der Mond ist kein Mann und die Sonne keine Frau.
In der deutschen Sprache haben wir zudem das Neutrum, welches es in anderen Sprachen so nicht gibt. Man denke an das Brot. (le pain, il pane, el pan…)
Ok, verstanden! Aber wenn das sprachliche Geschlecht mit dem natürlichen nicht identisch ist, dann könnte man doch meinen, dass mit „dem Arzt“ nur eine Berufsbezeichnung gemeint ist, die eben alle miteinschließt?
Nein! So einfach ist es dann auch wieder nicht.
Dass die meisten Berufsbezeichnungen männlicher Natur sind, liegt vor allem daran, dass Frauen früher Kind und Herd hüten mussten, statt Ärztin zu werden.
Das Ergebnis davon ist, dass wir bei bestimmten Wörtern ein Bild im Kopf haben.
Kleiner Test gefällig?
Woran denkst du bei den Wörtern „Lokführerverband“ oder „Bauernverband“? An einen Saal voller alter Männer. Stimmt´s?
Dass Sprache und Sprachgewohnheiten derartige Assoziationen auslösen, stört manche Menschen empfindlich und deswegen wird es auch heiß diskutiert. Schließlich sind auch Lokführerinnen im ICE oder Bäuerinnen auf dem Traktor unterwegs.
Jetzt denkst du vielleicht: Wegen den paar Mädels in Männerberufen muss man doch nicht so ein Fass aufmachen?
Ok, dann treibe ich das Gedankenspiel mal etwas weiter.
Bundeskanzlerin Laschet
Würde das mit dem „Mitmeinen“ wirklich funktionieren, wäre es doch auch kein Problem, ab sofort das generische Femininum einzuführen, also grundsätzlich die weibliche Form zu nutzen. Denn Mann ist ja schließlich mitgemeint. 😉
Stellen wir uns einmal vor, Herr Laschet oder Herr Scholz würden die Bundestagswahl im September gewinnen und ZDF-Anchorman Claus Keber verkündet: „Die nächste Bundeskanzlerin ist Olaf Scholz.“
Wie bitte, was? Bundeskanzlerin Scholz?
Ja, warum eigentlich nicht?
Frau Merkel hat ja schließlich in den 16 Jahren ihrer Herrschaft eine ganze Generation an den Begriff Bundeskanzlerin gewöhnt.
Argument 3: Unsere Sprache prägt unser Denken
Wissenschaftliche Studien haben mehrfach gezeigt, dass Sprache unser (Welt-) Verständnis prägt.
Beispiel DDR. Ich bin in der ehemaligen DDR geboren und aufgewachsen.
Damals wurden Wörter aus dem deutschen Sprachraum oft erst dadurch typisch DDR, indem sie zu neuen Formen verbunden wurden und eine neue Bedeutung erhielten wie etwa
Volk und Buchhandlung zu Volksbuchhandlung
oder
Held und Arbeit zu Held der Arbeit.
Auch Volkspolizei, Haus der Kultur (später hieß es Kulturhaus) gehörten zur sprachlichen Erziehungsdiktatur der DDR.
Durch die Nutzung von Begrifflichkeiten und Sprache wurde (und wird) versucht, Menschen in eine bestimmte (Denk-) Richtung zu lenken.
Argument 4: Gendern ändert in der realen Welt nichts
Nur weil in Stellenanzeigen jetzt (m/w/d) steht, heißt das nicht automatisch, dass Frauen die berühmt-berüchtigte Gender-Pay-Gap überwunden haben.
Noch immer erhalten Frauen weniger Gehalt/Lohn als ihre männlichen Kollegen in vergleichbaren Positionen.
Schön wär´s, wenn mit einem Gendersternchen die Diskussion um Geld passé wäre! Ist sie leider nicht und ich befürchte, da liegt noch ein langer Weg zur Gleichberechtigung vor uns.
Spätestens hier merkst du, dass das ein Gendersternchen nicht gesellschaftliche Debatten auf einen Schlag löst. Aber vielleicht ist das der Anfang?
Argument 5: Sprache lebt
Sprache ist kein starres Gebilde und ändert sich im Laufe der Zeit.
Beispiel: googlen
Vor 30 Jahren hätte dieses Wort niemand benutzt. Heute steht es im Duden – dem amtlichen Regelwerk für deutsche Sprache – und drückt aus, dass man im Internet nach Informationen sucht.
So kann die anhaltende Diksussion über Gendern ein Anfang sein, um nicht nur spreachliche sondern auch gesellschaftspolitische Änderungen anzugehen.
Es braucht vielfach Zeit und Übung in der Praxis, bis Dinge in Sprachgebrauch und Alltag akzeptiert sind.
Gendern oder nicht?
Ich gebe offen zu: Eine klare Empfehlung FÜR oder GEGEN Gendern wirst du von mir heute (noch) nicht erhalten.
Aus meinem Texter-Alltag kann ich dir berichten: Gendern macht das Schreiben sperriger. Es erfordert Übung und Konsequenz.
Wenn du jetzt überlegst, ob du gendern sollst oder nicht, lautet mein Rat an dich: Schau dir deine Zielgruppe an!
Klingt einfach. Ist es auch!
Wie schätzt du deine Zielgruppe ein?
Legt sie Wert auf gendergerechte Sprache?
Folge nicht einfach nach Gefühl einem Trend, denn allein mit einem Gendersternchen ist das Thema nicht konsequent berücksichtigt.
Willst du wissen, wie du nach derzeitigem Stand korrekt genderst?
Dann empfehle ich dir die Website genderleicht.de – ein Projekt vom jounalistinnenbund, gefördert vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend.
Da gibt´s Spannendes zu lesen! Reinklicken lohnt sich!
Zum Schluss habe ich noch einen Extra-Tipp:
Hol dir meinen kostenlosen ENTSPANNT-TEXTEN-FAHRPLAN. Darin erfährst du, wie du deine Website-Texte selbst schreiben kannst.